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Die Naturverbundenheit stärken – aber wie?

Gruppe von Schulkindern auf Exkursion in die Natur

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Der Schutz der Natur ist im Zeitalter des Anthropozän eine wichtige Aufgabe unserer Gesellschaft. Umweltbildung wird seit langem als ein Weg gesehen, die Natur besser zu schützen und Umweltprobleme zu bekämpfen. Während früher das Paradigma galt, durch die reine Wissensvermittlung das Umweltverhalten der Menschen positiv zu beeinflussen, haben neuere Forschungsergebnisse die Bedeutung von umweltpsychologischen Einflussfaktoren in den Vordergrund gerückt. Einer dieser Faktoren ist die persönliche Beziehung, die ein Mensch zur Natur hat. Diese wird daher Naturverbundenheit genannt.

Zahlreiche Untersuchungen konnten belegen, dass Menschen mit einer stärkeren Verbundenheit zur Natur sich umweltfreundlicher verhalten und auch eher dazu motiviert sind, sich für den Schutz der Natur einzusetzen. Darüber hinaus kann sich eine verstärkte Naturverbundenheit auch positiv auf das persönliche Wohlbefinden und die eigene Gesundheit auswirken.

Obwohl die Naturverbundenheit einen so wichtigen Faktor darstellt, nimmt sie in unserer Gesellschaft derzeit immer weiter ab.[1] Menschen verbringen mehr Zeit in Innenräumen oder beschäftigen sich mit elektronischen Geräten. Beides wirkt sich negativ auf die persönliche Beziehung zur Natur aus.[2] Besonders in den Industrienationen führt die zunehmende Urbanisierung zu einem drastischen Rückgang der Naturverbundenheit, vor allem bei Jugendlichen im Alter von 14–16 Jahren.[3] Während Kinder im Vor- und Grundschulalter noch eine sehr hohe Naturverbundenheit aufweisen, nimmt diese während Pubertät deutlich ab. Jugendliche sind in dieser Zeit viel stärker mit persönlichen Themen beschäftigt. Nach der Pubertät wächst die Naturverbundenheit zwar wieder, erreicht aber nicht mehr das hohe Ausgangsniveau des Kindesalters.

Um die Verbindung zur Natur zur ermitteln, gibt es mittlerweile eine ganze Reihe von umweltpsychologischen Messinstrumenten. Als besonders geeignet hat sich die Illustrated Inclusion of Nature in Self Scale (IINS) erwiesen, da sie durch die gute Anschaulichkeit auch bei jüngeren Kindern angewendet werden kann (Abb. 1).

Illustrated Inclusion of Nature in Self Scale (IINS)
Abbildung 1: Der IINS ist ein grafisches Messinstrument, das aus einer Frage besteht. Die Verbundenheit mit der Natur kann durch Auswahl des Kreispaares, das die eigene Beziehung zur Natur am besten beschreibt, ermittelt werden.[4]

Faktoren, die die Verbindung zur Natur beeinflussen

In den letzten Jahren hat die Forschung eine Reihe von Einflussgrößen ermittelt, die die Verbundenheit mit der Natur stärken können.[5] Der wohl wichtigste Faktor ist die Zeit, die in der Natur verbracht wird. Menschen, die mehr Zeit draußen verbringen, zeigen in der Regel eine höhere Naturverbundenheit. Dabei reichen oft schon ein Spaziergang durch den Park oder eine Waldwanderung aus. Auch der Besuch eines Zoos oder einer Grünfläche in der Stadt können sich bereits positiv auf die Naturverbundenheit auswirken. Von Bedeutung ist aber auch die Qualität von Naturerfahrungen. So ist es besonders effektiv, wenn die Natur aktiv wahrgenommen wird oder der Besuch in der Natur mit positiven Gefühlen verbunden ist. Neben der in der Natur verbrachten Zeit können auch Umweltbildungsprogramme dazu beitragen, die Verbundenheit mit der Natur zu stärken. Es hat sich gezeigt, dass eine Vielzahl derartiger Veranstaltungen eine positive Wirkung haben können, insbesondere dann, wenn Teilnehmer*innen vorher nur eine geringe Verbindung zur Natur hatten.[6] Neuere Untersuchungen zeigen außerdem, dass gerade die Naturverbundenheit in der Kindheit sich stark auf die spätere Naturverbundenheit als Erwachsene auswirkt.[7] Zudem haben Menschen, die in einer ländlichen Umgebung mit direktem Naturkontakt aufgewachsen sind, in der Regel auch als Erwachsene eine intensivere Beziehung zur Natur.

Empfehlungen

Welche Maßnahmen können Bildungsträger und Politiker*innen, aber auch Eltern und Lehrer*innen ergreifen, um die Naturverbundenheit in der Gesellschaft zu verbessern? Eine Möglichkeit bestünde darin, den Zugang zur Natur auch in städtischen Regionen zu vereinfachen. Die Anlage lokaler Parks oder Gärten, die zum Verweilen einladen, hat einen positiven Effekt. Auch könnte der direkte Naturkontakt durch den Besuch von lokalen oder überregionalen Naturlandschaften gefördert werden. Außerschulische Lernorte wie Zoos, botanische Gärten, Schülerlabore, Lernbauernhöfe, Museen oder Naturparks könnten vermehrt Umweltbildungsprogramme mit Naturbezug gerade für die Altersgruppen anbieten, in denen die Naturverbundenheit besonders niedrig ist. Dabei ist es besonders lohnenswert, Personengruppen anzusprechen, die normalerweise nur wenig Naturkontakt haben. In der Schule sollten häufiger Exkursionen durchgeführt werden. Der Schulgarten, Schulteich oder ein lokaler Wald bieten sich an, um Naturerfahrungen zu sammeln und in direkten Kontakt mit der Umwelt zu treten.[8]

Die einfachste Möglichkeit aber, die jede*r selbst in der Hand hat, ist es, ab und zu den Fernseher auszuschalten, das Smartphone beiseite zu legen und die Natur draußen zu genießen.


[1] Brämer, R., Koll, H., Schild, H.-J. (2016): 7. Jugendreport Natur 2016. Erste Ergebnisse. Natur Nebensache? https://www.natursoziologie.de/files/jugendreport2016-web-final-160914-v3_1609212106.pdf

Kellert, S. R., Case, D. J., Escher, D., Witter, D. J., Mikels-Carrasco, J., Seng, P. T. (2017): The nature of Americans. Dis-
connection and recommendations for reconnection (National report). https://lccnetwork.org/sites/default/files/Resources/Nature-of-Americans_National_Report_1.2_4-26-17.pdf

Robinson, J. P., Silvers, A. (2000): Measuring potential exposure to environmental pollutants: time spent with soiland time spent outdoors. J Expo Anal Environ Epidemiol 10(4): 341–54. https://doi.org/10.1038/sj.jea.7500097

[2] Schultz, P. W. (2002): Inclusion with Nature: The psychology of human-nature relations. In P. Schmuck & W. P. Schultz (Eds.): Springer eBook Collection. Psychology of Sustainable Development, 61–78. Springer US. https://doi.org/10.1007/978-1-4615-0995-0_4

[3] Conrad, A., Seiwert, M., Hünken, A., Quarcoo, D., Schlaud, M., Groneberg, D. (2013): The German Environmental Survey for Children (GerES IV): Reference values and distributions for time-location patterns of German children. International Journal of Hygiene and Environmental Health, 216(1), 25–34.581. https://doi.org/10.1016/j.ijheh.2012.02.004

Pergams, O. R. W., Zaradic, P. A. (2008): Evidence for a fundamental and pervasive shift away from nature-based recreation. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 105(7), 2295–2300.727. https://doi.org/10.1073/pnas.0709893105

[4] Kleespies, M. W., Braun, T., Dierkes, P. W., Wenzel, V. (2021): Measuring Connection to Nature – A Illustrated Extension of the Inclusion of Nature in Self Scale. Sustainability 13, 1761. https://doi.org/10.3390/su13041761

[5] Chawla, L. (2020): Childhood nature connection and constructive hope: A review of research on connecting with nature and coping with environmental loss. People and Nature, 2(3). https://doi.org/10.1002/pan3.10128

[6] Kossack, A., Bogner, F. X. (2012): How does a one-day environmental education programme support individual connectedness with nature?,Journal of Biological Education, 46(3), 180-187. https://doi.org/10.1080/00219266.2011.634016

Liefländer, A. K., Fröhlich, G., Bogner, F. X., Schultz, P. W. (2013): Promoting connectedness with nature through environmental education. Environmental Education Research, 19(3), 370–384. https://doi.org/10.1080/13504622.2012.697545

[7] Cheng, J. C.-H., Monroe, M. C. (2012): Connection to Nature. Environment and Behavior, 44(1), 31–49. https://doi.org/10.1177/0013916510385082

Tam, K.-P. (2013): Concepts and measures related to connection to nature: Similarities and differences. Journal of Environmental Psychology, 34, 64–78. https://doi.org/10.1016/j.jenvp.2013.01.004

[8] So konnte gezeigt werden, dass sich Zooführungen positiv auf die Naturverbundenheit auswirken können. Besonders Personen mit niedriger   Naturverbundenheit konnten von dem Programm profitieren.Kleespies et al. 2020: Connecting High School Students With Nature – How Different Guided Tours in the Zoo Influence the Success of Extracurricular Educational Programs. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2020.01804

Ein mehrtägiges Umweltbildungsprogramm im Regenwald in Singapur hat einen deutlich nachhaltigeren Effekt auf die Naturverbundenheit als ein 1-Tages-Programm. Die Kontrollgruppe in der Schule zeigte zum Teil sogar einen Rückgang der Naturverbundenheit. Braun & Dierkes (2017): Connecting students to nature – how intensity of nature experience and student age influence the success of outdoor education programs. https://doi.org/10.1080/13504622.2016.1214866


Autor*innen

Matthias Winfried Kleespies

Matthias Winfried Kleespies ist ein wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Didaktik der Biowissenschaften und Zootierbiologie an der Goethe-Universität in Frankfurt. Er hat Biologie und Geschichte studiert und seine Forschung fokussiert sich auf relational values, die Verbindung der Menschen zur Natur und Umweltbildungsprogrammen.

Volker Wenzel

Volker Wenzel ist Professor in der Abteilung für Biowissenschaften an der Goethe-Universität in Frankfurt. Seine Forschung beschäftigt sich hauptsächlich mit Interesse und der Naturverbundenheit an außerschulischen Lernorten.

Paul Wilhelm Dierkes

Paul Dierkes ist Professor in der Abteilung Didaktik der Biowissenschaften und Zootierbiologie an der Goethe-Universität in Frankfurt. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören das Verhalten von Zoo- und Wildtieren sowie Umweltbildungsprogramme, die das Interesse und die Verbindung zur Natur fördern.

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