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„Klimaschutz ist eine gesellschaftspolitische Gestaltungsaufgabe“ – Ein Impuls von Flurina Schneider zum Globalen Klimastreik am 23.09.2022

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Weltweit werden am 23. September 2022 Menschen für Klimaschutz demonstrieren. Sie folgen damit erneut dem Aufruf der Organisation Fridays for Future, die seit 2019 auf die Folgen der Klimakrise aufmerksam macht. Dass diese nicht nur die Umwelt betreffen, sondern weitreichende gesellschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen, dringt erst allmählich ins öffentliche Bewusstsein. Flurina Schneider, wissenschaftliche Geschäftsführerin des ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung und Professorin für Soziale Ökologie und Transdisziplinarität an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, plädiert dafür, Klimaschutz als gesellschaftspolitische Aufgabe zu verstehen. Sie setzt auf Synergieeffekte zur Lösung der Klimakrise.


Trotz der global zunehmenden und deutlich sichtbaren Folgen der Klimakrise: Bei einer Umfrage in diesem Dürresommer war nur noch knapp die Hälfte der befragten Personen in Deutschland der Meinung, dass Klimaschutz Priorität haben solle. 43 Prozent waren der Meinung, dass Klimaschutz angesichts aktueller Krisen wie der Energiepreisentwicklung und dem Krieg in der Ukraine vorübergehend im politischen Handeln hintenanstehen solle*. Aber ist es so einfach: Energiesicherheit versus Klimaschutz? Diese Einschätzung rührt möglicherweise daher, dass die Kosten der Klimakrise kurzfristig als weniger hoch und bedrohlich empfunden werden. Dabei gerät aus dem Blick, dass die Klimakrise eine übergeordnete Krise von globalem Ausmaß ist, die schon heute erhebliche Schäden verursacht, die mit jeder Tonne CO2 zunehmen werden. Der Klimawandel ist daher keine Umweltkrise, sondern eine gesellschaftliche Krise. Verzicht auf heutiges Handeln treibt langfristig die Kosten umso höher.


„Nur weil eine Aufgabe groß erscheint,
sind kleine Lösungsschritte nicht sinnlos.“


Die Folgen des Klimawandels haben das bereits eindrücklich gezeigt. Das extreme Wetter hat nun auch in Europa sein Potenzial offenbart, Stromversorgung und Verkehrsnetze lahmzulegen oder die Energie- und Wasserversorgung zu unterbrechen, ebenso Lieferketten. Die Möglichkeit, dass die Bevölkerung durch Extremwetterereignisse von der Lebensmittel- und der medizinischen Versorgung abgeschnitten wird, ist auch in Deutschland Realität geworden. Ernteausfälle und gesundheitliche Probleme aufgrund anhaltender Dürre und Hitze sind längst keine Ausnahme mehr. Weil Umwelt, Wirtschaft, Gesellschaft gleichermaßen betroffen sind, ist es wichtig, dass sich ein umfassendes Verständnis von Klimaschutz und Nachhaltigkeit durchsetzt, das all diese Bereiche umfasst – auch wenn die Umsetzung einer globalen Mammutaufgabe gleicht. Nur weil eine Aufgabe groß erscheint, sind kleine Lösungsschritte nicht abwegig. Im Gegenteil, wichtig ist, dass Lösungen für die Klimakrise grundsätzlich systemisch gedacht werden.


„Wir haben es immer auch mit Zielkonflikten zu tun,
wenn wir nachhaltige Lösungen umsetzen wollen.
Aber es lohnt sich, nach Synergien zu suchen.“


Beispiel Wasserversorgung im Klimawandel: Während sich die Städte immer mehr aufheizen, wird auch die kühlende Funktion der Grünflächen, Parks und Alleen in Mitleidenschaft gezogen. Die grüne Infrastruktur benötigt mehr Wasser, das aufgrund lang anhaltender Hitze aber immer weniger verfügbar ist. Wir haben es immer auch mit Zielkonflikten zu tun, wenn wir nachhaltige Lösungen umsetzen wollen. Aber es lohnt sich, nach Synergien zu suchen, nach Lösungen, mit denen sich gleichzeitig verschiedene Nachhaltigkeitsziele erreichen lassen. In diesem konkreten Beispiel kann eine kluge Wasserwiederverwendung Trinkwasser schonen und Brauchwasser für die Bewässerung gewonnen werden. Damit werden mehrere Probleme gleichzeitig gelöst: Ressourcen werden geschont, Ökosysteme erhalten und die Gesundheit der Stadtbewohner*innen gefördert.


„Eine konsequente, ressortübergreifende und
gerechte Klimaschutzpolitik kann gleichzeitig
gute Wirtschafts- und Sozialpolitik sein.“


Das ist nur ein Beispiel von vielen. Aber es liegt auf der Hand: Transformationen können nur gelingen, wenn alle geeigneten Kapazitäten für den Erhalt der natürlichen und sozialen Lebensgrundlagen identifiziert und intelligent miteinander verknüpft werden. Das bedeutet, dass Klimaschutz als gesellschaftspolitische Gestaltungsaufgabe verstanden werden muss. Nur so kann (und muss) Klimaschutz viel mehr als nur Umwelt- und Ressourcenschutz sein, nämlich eine gesellschaftliche Risikovorsorge. Eine konsequente, ressortübergreifende und gerechte Klimaschutzpolitik kann gleichzeitig gute Wirtschafts- und Sozialpolitik sein. Vorausgesetzt, eine solche Klimaschutzpolitik ist sozial-ökologisch ausgerichtet und macht sich die hohe Transformations- und Innovationskraft zunutze, die bereits jetzt vorhanden ist – in Kommunen, Unternehmen, bei den Technologien und eben auch in der Gesellschaft, die zu einem großen Teil bereit ist, nachhaltig etwas zu verändern. Denn Studien zeigen, dass Menschen durchaus bereit sind, sich aktiv an Veränderungsprozessen zu beteiligen, wenn sie sich nicht alleingelassen fühlen, sondern sicher sind, gemeinsam mit vielen anderen zu handeln. Politik muss sich deshalb entschiedener positionieren und den gesamtgesellschaftlichen Veränderungsprozess mitgestalten. Sofortprogramme, wie sie aktuell einzelne Ministerien entwickeln, sind wichtig, aber greifen für sich alleine zu kurz. Entscheidend sind auch integrative, politikfeldübergreifende Konzepte und Lösungen, die gezielt Synergien schaffen. Die Menschen, die am 23. September erneut auch in Deutschland für Klimaschutz und Klimagerechtigkeit demonstrieren werden, drängen deshalb zurecht darauf, dass die Politik weitreichender als bisher Verantwortung übernimmt und entsprechend konsequent handelt.


* ARD-DeutschlandTrend: https://www.tagesschau.de/inland/deutschlandtrend/deutschlandtrend-3067.html


Autor*in

Flurina Schneider

Flurina Schneider is scientific director of ISOE, and professor in social ecology and transdisciplinarity at Goethe University Frankfurt. Her research focuses on learning and action for sustainability transformations, as well as on transdisciplinary research and science policy for sustainability. She graduated in geography, botany and law at University of Basel, and received her phd and venia docendi by the University of Bern.

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