Die komplexen Zusammenhänge zwischen Klimakrise und Konflikten machen zunehmend Schlagzeilen und zeigen sich nicht zuletzt in den zähen und schleppenden Verhandlungen auf Klimakonferenzen. Die gerade zu Ende gegangene COP27 zeigt beispielhaft, wie sehr Konflikte und Kriege nachhaltige Schritte in der Klimapolitik verhindern (Tagesschau 2022). Ein dominantes Narrativ lautet, der Klimawandel werde Konflikte weiter „anheizen“ und gesellschaftliche Sicherheit bedrohen. Im Gegensatz hierzu kann die gemeinsame Anstrengung zur Bewältigung des Klimawandels nicht nur eine Gelegenheit für sozial-ökologische Transformationen der Gesellschaft sein, sondern auch für die Transformation von Konflikten, wenn man Methoden und Ideen der „Zivilen Konfliktbearbeitung (ZKB)“ kennt und einsetzt. Dies haben wir in einem jüngst erschienenen Beitrag ausgeführt (Pastoors et al. 2022).
Im aktuellen Diskurs fällt auf, dass der überwiegende Teil wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Debattenbeiträge vorwiegend die negativen Auswirkungen der Klimakrise thematisiert (Vinke et al. 2021). Der Fokus liegt auf klimabezogenen Sicherheitsrisiken, Eskalationen durch Umweltveränderungen, Klimabelastungen durch das Militär oder Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel. Aus unserer Sicht sind in dieser Debatte Sichtweisen und Zugänge unterrepräsentiert, die die Klimakrise als Möglichkeit verstehen, Konflikte und Machtungleichheiten konstruktiv anzugehen und zu bearbeiten. Da sowohl Umweltveränderungen als auch sozial-ökologische Transformationen immer häufiger zu Konflikten führen werden, gewinnen bestehende Konzepte zur Konflikttransformation an Bedeutung. Mit der ZKB stehen geeignete Instrumente und Ideen zur Verfügung, um diese Konflikte konstruktiv zu bearbeiten.
Potenziale ziviler Konfliktbearbeitung
Doch was ist die Zivile Konfliktbearbeitung eigentlich? ZKB ist ein thematischer Überbegriff für unterschiedliche Ansätze der gewaltfreien Konflikttransformation. Ein weiteres Merkmal ist, dass ausschließlich zivile Mittel der Konfliktbearbeitung eingesetzt werden. Mediationen, Täter*innen-Opfer-Ausgleich, Schlichtung sowie runde Tische und Dialogforen sind prominente Beispiele für ZKB. Aber auch andere Formen von Gewaltprävention und Diplomatie, Peacebuilding und zivilem Peacekeeping lassen sich hier anführen.
Ein Beispiel erfolgreicher ZKB auf kommunaler Ebene in Deutschland ist die kommunale Konfliktberatung. Ihre Aufgabe ist es, Städte und Gemeinden dabei zu unterstützen, Konfliktpotenziale zu entschärfen, Transformationsprozesse (auch im Bereich Klima) konstruktiv zu gestalten und die Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen „Parteien“ zu fördern.
Anschauliche Beispiele für die ZKB im Ausland bietet der Zivile Friedensdienst (ZFD), ein Programm zur Friedensförderung und Gewaltprävention in Krisen- und Konfliktregionen, das sich für die konstruktive Bearbeitung von Konflikten einsetzt. Zu diesem Programm gehören Instrumente wie Menschenrechtsbeobachtung, Moderation und Dialog, Friedensbildung, konfliktsensibler Journalismus, Vergangenheits- und Erinnerungsarbeit sowie psychosoziale Unterstützung für Gewaltbetroffene. Die Projekte basieren auf Konflikt- und Kontextanalysen, mit deren Hilfe jeweils passende Ansätze zur Transformation der Konflikte identifiziert werden.
Im Gegensatz zu militärischem Eingreifen und technokratischem Management leistet die hier skizzierte Vielfalt an zivilen Instrumenten der Konfliktbearbeitung einen wichtigen Beitrag zu nachhaltigem Frieden. Sie zeigt außerdem, wie wichtig es ist, das Augenmerk auf den Prozess und dessen Gestaltung zu lenken. Das gilt für Friedensprozesse, aber auch für sozial-ökologische Transformationsprozesse, die wiederum regelmäßig zu Konflikten führen.
Konflikte als Chance begreifen
Den oben genannten Ansätzen liegt die Auffassung zugrunde, dass in Konflikten eine große Chance liegt, Ungerechtigkeiten und ökologische Probleme mit Instrumenten der ZKB gleichzeitig zu bearbeiten. Hierzu wollen wir beispielhaft zwei Ideen ausführen, die zeigen, wie sich die „Philosophie“ der ZKB auf sozial-ökologische Transformationen anwenden lässt:
1. Klimakonflikten liegen oft Machtungleichheiten zugrunde, die in Debatten zu „Umweltgerechtigkeit“ ihren Ausdruck finden (Holifield et al. 2020). Im Sinne der Konflikttransformation gilt es, diese Machtungleichheiten konstruktiv zu verändern. Das positive Konfliktverständnis der ZKB ist hierfür prädestiniert, denn solche Ungerechtigkeiten müssen im Prozess offengelegt werden. Wichtig ist zudem, dass im Rahmen der ZKB die Position von Menschen, die selten(er) zu Wort kommen oder gehört werden, aber beispielsweise in Bezug auf Klimafolgen und -anpassungsmaßnahmen überproportional betroffen sind, gestärkt wird. Erst nach einer solchen Stärkung kann nach Lösungen gesucht werden. Dieses Adressieren und das Abbauen von Ungerechtigkeit ist einer der zentralen Schritte in der Konflikttransformation.
2. Nachhaltige Entwicklung lässt sich auch mit „erhaltender Entfaltung“ (Scheffran 1996) übersetzen, da es darum geht, die Bedürfnisbefriedigung der Menschen mit den Bedürfnissen des weiteren Lebens auf der Erde in Einklang zu bringen. Dies steht in enger Verbindung mit Friedensverständnissen, die die Entfaltung des Menschen sowie die friedlichen Beziehungen mit allen Lebewesen und dem Planeten einbeziehen (Meyers 2019: 22). „Kurz gesagt, es geht für die Menschen darum, Frieden mit sich selbst, mit anderen und mit der Natur zu schaffen.“ (Scheffran 2011: 320) In den sozial-ökologischen Transformationen geht es also letztlich – genau wie in der Friedens- und Konfliktarbeit – um die „Gestaltung einer erhaltenden Entfaltung“ (Pastoors et al. 2022). Somit bedingen die Definitionen von Frieden und nachhaltiger Entwicklung einander und gehen ineinander auf.
Die ZKB kann damit einen wichtigen Beitrag zur Bearbeitung der Klimakrise und der aktuellen Krisen gesellschaftlicher Naturverhältnisse leisten und die unterschiedlichen Ausprägungen dieser Krise als Teil einer friedenspolitischen Anstrengung begreifen – denn Klimapolitik ist Friedenspolitik und andersherum: Frieden verbessert das Klima!
Literatur
Holifield, Ryan/Jayajit Chakraborty/Gordon P. Walker (Hg.) (2020): The Routledge handbook of environmental justice. London, New York: Routledge Taylor & Francis Group (Routledge handbooks)
Meyers, R. (2019): Krieg und Frieden. In: H. J. Gießmann/B. Rinke (Hg.): Handbuch Frieden, 21–50. Wiesbaden: VS
Pastoors, Daniela/Lukas Drees/Thomas Fickel/Jürgen Scheffran (2022): „Frieden verbessert das Klima“ – Zivile Konfliktbearbeitung als Beitrag zur sozial-ökologischen Transformation. Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik. doi: 10.1007/s12399-022-00911-x
Scheffran, J. (1996): Leben bewahren gegen Wachstum, Macht, Gewalt. Zur Verknüpfung von Frieden und nachhaltiger Entwicklung. Wissenschaft und Frieden 14(3), 5–9
Scheffran, J. (2011): Frieden und nachhaltige Entwicklung. In: H. J. Gießmann/B. Rinke (Hg.): Handbuch Frieden, 310–323. Wiesbaden: VS
Tagesschau (2022): Wenig Hoffnung in Klimakonferenz, 05.11.2022. https://www.tagesschau.de/ausland/erwartungen-klimakonferenz-cop27-101.html (letzter Zugriff am 10.11.2022)
Vinke, K./S. Dröge/H. J. Gießmann/C. Hamm/S. Kroll/J. Rheinbay/S. Wesch (2021): Klimawandel und Konflikte. Herausforderungen für die Deutsche Außen- und Sicherheitspolitik. Der Beirat der Bundesregierung Zivile Krisenprävention und Friedensförderung. https://beirat-zivile-krisenpraevention.org/wp-content/uploads/2021/01/Studie_2_Klimawandel_und_Konflikte_Beirat_Zivile_Krisenpraevention_WEB.pdf (letzter Zugriff am 14.07.2022)
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