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Klimaschutz auf Kosten der Umwelt? Natürliche Kältemittel bieten einen Ausweg aus dem Dilemma der Ewigkeitschemikalien

Heizkörper orange

Foto: Peter de Kievith - stock.adobe.com

Wärmepumpen spielen eine Schlüsselrolle für die klimaneutrale Wärmeversorgung von Gebäuden. Außerdem verringern sie die Abhängigkeit von Erdgasimporten. Allein im Jahr 2022 wurden 236.000 Wärmepumpen in Deutschland installiert (BDH 2023a). Doch wie umweltfreundlich sind Wärmepumpen wirklich? Das Problem: Die meisten Wärmepumpen enthalten synthetische Kältemittel, zumeist fluorierte Kohlenwasserstoffe (auch F-Gase), die mit erheblichen Umweltrisiken verbunden sind. Ein internationales Forschungsprojekt unter Beteiligung des ISOE hat untersucht, wie innovative Wärmepumpen mit Kältemitteln betrieben werden können, die eine Alternative zu den umweltbelastenden F-Gasen sind. Dabei zeigt sich, dass der Einsatz solcher sogenannten natürlichen Kältemittel bereits heute möglich ist.

Wofür werden F-Gase in Wärmepumpen verwendet?

Kältemittel sind entscheidend für das Funktionieren von Wärmepumpen: Das Kältemittel fließt in einem Kreislauf. Es nimmt Wärme aus der Umgebung auf, wird verdichtet und dadurch erhitzt. Die gewonnene Wärme kann dann zur Beheizung des Gebäudes genutzt werden. Dabei kühlt sich das Kältemittel wieder ab. Es fließt dann zurück und der Prozess beginnt von vorne. Das Ganze funktioniert auch andersherum: Kältemittel werden auch in Kühlschränken und Klimaanlagen für Gebäude oder in Autos verwendet. Dort werden sie genutzt, um die Wärme aus dem Gebäude beziehungsweise dem Fahrzeug heraus zu transportieren und an die Umgebung abzugeben.

Heute kommen in den meisten Wärmepumpen synthetische Kältemittel zum Einsatz. Diese Kältemittel enthalten Verbindungen der Stoffgruppe der Per- und Polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS), die sogenannten F-Gase. Diese chemischen Verbindungen sind sehr stabil und zersetzen sich unter natürlichen Bedingungen nur sehr langsam. Sie werden daher als „Ewigkeitschemikalien“ bezeichnet. Zugleich besitzen viele dieser Substanzen ein hohes Treibhausgaspotenzial, das heißt, sie tragen selbst zur Beschleunigung der Klimaerwärmung bei.

Welche sozial-ökologischen Risiken sind mit F-Gasen verbunden?

PFAS sind wegen ihrer Langlebigkeit in der Umwelt weit verbreitet und darüber hinaus auch in der Nahrungskette und im menschlichen Blut nachweisbar (BfR 2021). Aufgrund der hohen Persistenz reichern sich PFAS in Organismen an, wobei zu den biologischen Effekten bei chronischer Exposition bislang sehr wenig bekannt ist. Einige PFAS haben nachweislich gesundheitsschädliche Wirkungen, weshalb für bestimmte Substanzen die Verwendung auf wenige Einsatzbereiche eingeschränkt wurde, darunter zum Beispiel Perfluoroctansulfonat (PFOS), das EU-weit verboten ist und in die EU-POP-Verordnung (Verordnung über persistente organische Schadstoffe) aufgenommen wurde. Im Fall solcher F-Gase, die als Kältemittel verwendet werden, ist das persistente atmosphärische Abbauprodukt Trifluoressigsäure (TFA) problematisch, das sich unter anderem im Wasserkreislauf anreichert und dessen langfristige Auswirkungen auf die Umwelt nicht vorhersehbar sind (UBA 2021). Anfang des Jahres 2023 haben europäische Behörden (darunter auch das Umweltbundesamt in Deutschland) einen Vorschlag zur umfassenden Beschränkung der gesamten PFAS-Stoffgruppe bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) eingereicht, die in den nächsten Monaten von wissenschaftlichen Ausschüssen geprüft und nach einem öffentlichen Konsultationsprozess der Europäischen Kommission zur Entscheidungsfindung vorgelegt wird (UBA 2023).

Die Befürworter*innen des Verbots betonen nicht kontrollierbare Risiken dieser Substanzen, die sich aus der Langlebigkeit und weiten Verbreitung in der Umwelt sowie des Nicht-Wissens bezüglich gesundheitlicher Effekte ergeben (UBA 2023). Zudem wurden in der Vergangenheit häufiger regulierte Stoffe durch neue Substanzen ersetzt, deren gefährliche Eigenschaften erst später bekannt wurden. Das zeigt, dass eine Einzelstoffbewertung der hohen Anzahl chemischer Verbindungen nicht gerecht werden kann. Es handelt sich bei dem Beschränkungsvorschlag also um die Anwendung des Vorsorgeprinzips mit dem Ziel, irreparable Schäden zu vermeiden und Mensch und Umwelt zu schützen. Sollte die PFAS-Beschränkung in Kraft treten, hätte das auch Auswirkungen auf bestimmte Neuanlagen mit F-Gasen. Diese dürften nicht mehr zugelassen werden.

Handlungsmöglichkeiten für eine klima- und umweltfreundliche Wärmewende

In der Diskussion um die Umweltwirkungen synthetischer Kältemittel werden bislang vor allem die Klimarisiken von PFAS thematisiert. Vor diesem Hintergrund hat die EU-Kommission im April 2022 eine Novelle der F-Gas-Verordnung vorgelegt. Demnach soll die Emission dieser Substanzen drastisch verringert werden. Der Vorschlag sieht vor, dass die Emissionen von F-Gasen bis zum Jahr 2030 um 55 Prozent und bis 2050 um 98 Prozent reduziert werden. Derzeit befindet sich die Vorlage im Abstimmungsprozess zwischen dem Europäischen Parlament und dem Europarat. Der Entwurf wird kontrovers diskutiert. Befürchtet wird, dass ein rascher Verzicht auf F-Gase die Ziele der Energiewende gefährden könnte. Vorgeschlagen wird stattdessen, das Verbot von F-Gasen von 2025 auf 2028 zu verschieben (BDH 2023b). Dies hätte zur Folge, dass beim geplanten Hochlauf von Wärmepumpen in den kommenden Jahren weiterhin F-Gase in großem Umfang eingesetzt werden.

Angesichts der oben dargestellten Umweltrisiken ist dieser Vorschlag allerdings wenig überzeugend. Sinnvoller erscheint ein radikaler Paradigmenwechsel hin zu einem raschen und vollständigen Verzicht von synthetischen Kältemitteln in Wärmepumpen. Natürliche Kältemittel, wie Propan, CO2 oder Ammoniak, eignen sich als Alternative zu synthetischen Kältemitteln. Aber auch diese Substanzen sind nicht ohne Risiken: Propan ist brennbar, Ammoniak kann toxische Wirkungen haben. Aber diese Risiken sind unter bestimmten Voraussetzungen gut zu handhaben, etwa durch das Einhalten bestimmter Sicherheitsvorkehrungen beim Einsatz von Kältemitteln in Wohngebäuden. Hinzu kommt, dass es seit Jahrzehnten Erfahrungen im Umgang mit solchen Substanzen in Hausgeräten gibt. Beispielsweise werden Propan und Butan seit langem als Kältemittel in Kühlschränken im Haushalt genutzt.

Was wir nicht wissen über die Umweltrisiken von F-Gasen

Im EU-geförderten Verbundprojekt TRI-HP hat das ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung die Bedingungen für die soziale Akzeptanz von Wärmepumpen untersucht. Dazu wurden in vier europäischen Ländern, darunter Deutschland, Interviews und Workshops mit Expert*innen und Stakeholdern durchgeführt (Friedrich & Stieß 2021a; 2021b). Zu den Stakeholder-Gruppen zählten Investor*innen, Architekt*innen, Wärmepumpen-Hersteller*innen, Ingenieur*innen, Planer*innen, technische Berater*innen, Vertreter*innen von Verbänden und Heizungsinstallateur*innen. Es handelt sich dabei also um Akteure, die bei der Marktverbreitung von Wärmepumpen eine Schlüsselrolle spielen, die jedoch gleichzeitig sehr unterschiedliche Perspektiven einbringen können. Das Ziel des ISOE-Forscherteams war es, ein besseres Verständnis der Bedingungen für die Akzeptanz von erneuerbaren Heiz- und Kühlsystemen zu erlangen, die auf Wärmepumpen mit natürlichen Kältemitteln basieren.

Zu den Kernthemen, die über mehrere Stakeholder-Gruppen hinweg wiederholt diskutiert wurden, gehörten die wirtschaftliche Effizienz dieser Systeme, ihre praktische Umsetzung, die dafür erforderliche Fachkompetenz sowie sichere Rahmenbedingungen und eine breite öffentliche Unterstützung. Als größte Herausforderungen nannten die befragten Akteure etwa die Investitions- und Vorlaufkosten, den Fachkräftemangel oder den hohen Planungs- und Koordinationsaufwand. Gerade hier sei es wichtig, dass Planungssicherheit gewährleistet werden kann, betonten verschiedene Stakeholder. Ein wichtiger Schritt sei daher, die Wirtschaftlichkeit von Wärmepumpen-Systemen über den gesamten Lebenszyklus zu betrachten – was auch das in den Systemen verbaute Kältemittel miteinschließt. Es zeigte sich, dass natürliche Kältemittel sich unter diesen Voraussetzungen nicht nur hinsichtlich ihrer Umweltwirkung, sondern zum Beispiel auch in Bezug auf zukünftige Entsorgungskosten als die risikoärmste Option erweisen. Allerdings ist das Bewusstsein für die Risiken von F-Gasen bei den beteiligten Stakeholdern sehr unterschiedlich ausgeprägt. Die klimaschädigende Wirkung von F-Gasen wurde als ein Problem für die soziale Akzeptanz von Wärmepumpen gesehen. Die Umweltrisiken wurden dagegen deutlich seltener thematisiert.

Fazit

Natürliche Kältemittel verursachen keine langfristigen Umwelt- und Klimarisiken. Sie bieten einen Ausweg aus dem Dilemma der Ewigkeitschemikalien. Erprobte und einfach umzusetzende Lösungen sind vorhanden. Risiken wie Entflammbarkeit oder Toxizität erscheinen beherrschbar, wenn bestehende Sicherheitshinweise und Regeln eingehalten werden. Ein rascher Umstieg auf natürliche Kältemittel ist also technisch möglich. Allerdings ist die Branche auf diesen Umstieg derzeit nur schlecht vorbereitet. Die Umweltrisiken durch F-Gase sind vielen Stakeholdern noch kaum bewusst. Die erforderlichen Fachkenntnisse und die Kompetenz für Planung, Einbau und Entsorgung von Wärmepumpen mit natürlichen Kältemitteln sind bei vielen Marktakteuren nur unzureichend vorhanden. Intensive Kommunikation und Schulung (Hersteller, Handwerk, Handel) sind daher nötig.


Quellen

BDH – Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (2023a): https://www.bdh-industrie.de/fileadmin/user_upload/Pressemeldungen/Marktentwicklung_Waermemarkt_Deutschland_2022.pdf

BDH – Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (2023b): https://www.bdh-industrie.de/fileadmin/user_upload/Pressemeldungen/Leitlinien_zur_Positionierung_in_Bezug_auf_Kaeltemittel_BDH.pdf   

BFR – Bundesinstitut für Risikobewertung (2021): https://www.bfr.bund.de/cm/343/pfas-in-lebensmitteln-bfr-bestaetigt-kritische-exposition-gegenueber-industriechemikalien.pdf

Friedrich, Thomas/Immanuel Stieß (2021a): Social acceptance of innovative renewable heating and cooling systems: Barriers, hindrances, drivers and incentives (D2.2) (1.0). Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.5500469

Friedrich, Thomas/Immanuel Stieß (2021b): Enhancing stakeholders‘ acceptance of trigeneration heating and cooling systems: Recommendations from the TRI-HP stakeholder process (D2.3) (1.0). Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.5500482  

UBA – Umweltbundesamt (2021): https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/3521/publikationen/2021_hg_chemiekalieneintrag_bf.pdf

UBA – Umweltbundesamt (2023): https://www.bfr.bund.de/cm/343/pfas-in-lebensmitteln-bfr-bestaetigt-kritische-exposition-gegenueber-industriechemikalien.pdf


Autor*innen

Immanuel Stieß

Immanuel Stieß ist langjähriger wissenschaftlicher Mitarbeiter des ISOE und leitet den Forschungsschwerpunkt Energie und Klimaschutz im Alltag. Er hat im Fachbereich Architektur, Stadt-, Landschaftsplanung der Universität Kassel promoviert mit einer Untersuchung zum Thema modernisierungsbegleitende Mieterkommunikation. Er forscht zu Potenzialen und Hemmnissen für nachhaltige und CO2-arme Lebensstile und Alltagspraktiken, v.a. in den Handlungsfeldern Bauen und Wohnen, Energienutzung im Haushalt und Ernährung. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Verknüpfung von umwelt- und sozialpolitischen Zielsetzungen, z.B. in der Konzeption, Analyse und Evaluation von Handlungsansätzen für einen nachhaltigen Konsum für Haushalte mit geringem Einkommen. Immanuel Stieß verfügt über umfangreiche Erfahrungen in der Durchführung sozialempirischer Untersuchungen, Akzeptanz- und Wirkungsanalysen.

Thomas Friedrich

Thomas Friedrich ist seit 2019 wissenschaftlicher Mitarbeiter am ISOE im Forschungsschwerpunkt Energie und Klimaschutz im Alltag. Er studierte und promovierte in Sozial- und Kulturanthropologie an den Universitäten Köln und Hamburg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehört das Thema Klimaanpassung. Seit seiner Promotion am Hamburger Exzellenzcluster „Integrated Climate System Analysis and Prediction“ (CliSAP), für die er eine mehrmonatige ethnographische Feldstudie zur Wahrnehmung des Klimawandels auf den von extremen Klimafolgen besonders betroffenen Philippinen durchgeführt hat, beschäftigt ihn die Frage, wie sich Menschen und Gemeinden besser an die Folgen des Klimawandels anpassen können.

Carolin Völker

Carolin Völker ist seit 2014 wissenschaftliche Mitarbeiterin am ISOE und leitete von 2016 bis 2021 zusammen mit Johanna Kramm die SÖF-Nachwuchsgruppe PlastX. Carolin Völker ist Privatdozentin am Fachbereich Biowissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt am Main, Institut für Ökologie, Evolution und Diversität. Ihre Arbeitsschwerpunkte umfassen die Auswirkungen chemischer Stoffe auf Ökosysteme, Bewertung, Kommunikation und Wahrnehmung von Umweltrisiken sowie systemische Ansätze zur Umweltrisikobewertung. Sie studierte Biologie an der Universität Frankfurt am Main und schloss 2009 mit dem Diplom im Schwerpunkt Ökotoxikologie ab. In ihrer Promotion beschäftigte sie sich mit dem Thema „Ökotoxikologische Charakterisierung von Silbernanopartikeln – Ein Beitrag zur Gefährdungsabschätzung von Nanomaterialien“. Das Thema ihrer Habilitation, die sie 2022 abschloss, lautete „Environmental Impacts of Microplastics: Ecotoxicological Assessment and Systemic Analysis”.

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