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Der Garten, die Insekten und wir – Gärtner*innentypen im Vergleich

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Wilde Bauerngärten, mediterrane Parks oder großzügige Rasenflächen – die Vorstellungen vom perfekten Garten sind divers. Diese Vielfalt an Gartenstilen hat auch Einfluss darauf, wie insektenfreundlich die jeweiligen Gärten sind und welche Möglichkeiten für Insektenschutzmaßnahmen sich anbieten. Die Vorliebe für einen Stil und die entsprechende Gartengestaltung hängen von verschiedenen Faktoren ab, wie dem individuellen Naturbezug, dem eigenen Lebensstil sowie den Ansprüchen an den Garten und seine Nutzung. Wie diese Faktoren zusammenhängen und die Gartengestaltung prägen, haben wir in einer Interviewstudie mit Gärtner*innen aus Frankfurt untersucht. Ergebnis sind fünf Gärtner*innentypen, die unterschiedliche Gartenstile zusammenfassen und Ausgangspunkt für verschiedene Insektenschutzaktivitäten sein können.


Die Lebensraumschaffer*innen engagieren sich innerhalb und außerhalb des eigenen Gartens für Ökologie, Politik und Soziales und äußern Kritik am politischen Umgang mit ökologischen Themen. Sie haben einen sehr ausgeprägten Naturbezug, der häufig in der Kindheit verwurzelt ist: Viele Angehörige dieser Gruppe sind in und mit der Natur aufgewachsen und waren schon früh eng mit der Natur verbunden. Sie sind regelrechte Insekten-Fans, die Insekten eine hohe Relevanz für Mensch und Natur zuschreiben und von deren Schönheit sie fasziniert sind. Ihr Wissen über die Vielfalt und den Nutzen von Insekten und deren Bedürfnisse ist groß. Hauptmotiv der Gartengestaltung ist die Schaffung von (vielfältigen) Lebensräumen. Entsprechend sind das Beobachten und Schützen von Tieren und Insekten zentrale Gartenpraktiken. Dazu zählt auch bewusstes Nicht-Management. Das geht teilweise so weit, dass Bedürfnisse der Natur Vorrang gegenüber den eigenen Ansprüchen haben:

„Manchmal stehe ich wirklich vor meinem Garten, und wenn ich die ganzen Insekten sehe und höre […] dann stehe ich manchmal wirklich davor und denke, das ist überhaupt nicht mein Garten, das ist deren Garten. Wo ich mich wirklich kaum reintraue irgendwie.“

Lebensraumschaffer*innen genießen den eigenen Garten und die damit verknüpfte Gartenarbeit. Schöne oder seltene Insekten zu beobachten wird zum besonderen Erlebnis. Diese Bedeutung von Insekten im eigenen Garten wird auch sprachlich deutlich, wenn zum Beispiel Pflanzen und Tiere vermenschlicht und mit eigenen Kindern verglichen werden.

Beispielhafter Garten für den Gärtner*innentyp Lebensraumschaffer*innen. Foto: photo 5000 – stock.adobe.com

Bei den naturverbundenen Familiengärtner*innen steht die Familie im Mittelpunkt. Der Garten ist ein Naturraum in der Stadt, der vielfältige Bedürfnisse abdeckt: Er ist ein Ort, an dem Kinder etwas über die Natur, den Anbau von Obst und Gemüse, aber auch die Schönheit von Insekten erlernen und sich gleichzeitig frei und sicher bewegen können:

„Meine Frau und ich sind aufgewachsen mit Garten und Haus […] und da war die Vorstellung schön, in der Stadt zu sein und trotzdem ein bisschen Natur zu haben […]. Unserer Tochter zu zeigen die Kreisläufe, mal selber was anpflanzen, bisschen mithelfen […]. Und zu sagen, hier kann sie sich auch frei bewegen, viel Platz, trotzdem auch sicher“

Gärtnern wird als Ausgleich zur Arbeit empfunden, als Gelegenheit zum gemeinsamen Experimentieren und Lernen, ohne Anspruch auf Perfektion in Ertrag, Ästhetik oder Ökologie. Im Garten werden Gemüsebeete, schöne Blumenbeete und auch „wilde“ und insektenfreundliche Ecken angelegt. Insektenschutz im Garten ist für diesen Typ eine relativ neue Praktik, und mit Erstaunen wird festgestellt, wie schnell Wirkungen eintreten, wenn Maßnahmen umgesetzt werden. Gegenüber Insekten ist eine teils ambivalente Einstellung festzustellen: Einerseits empfinden die Familiengärtner*innen eine große Ehrfurcht vor ihrer Schönheit, sie können aber auch Ekel oder Angst auslösen. Im Garten sind Insekten selbstverständliche Gäste, zu denen aber im Zweifelsfall Distanz gewahrt wird.

Beispielhafter Garten für den Gärtner*innentyp naturverbundene Familiengärtner*innen. Foto: moskvich1977 – stock.adobe.com

Für die ordnungsliebenden Gärtner*innen soll der Garten in erster Linie gepflegt und ordentlich sein. Konservativ-traditionelle Werte und Sicherheit spielen für sie eine wichtige Rolle, ökologische Themen eher nicht. Natur sehen sie vor allem als Kulturlandschaft, die gepflegt werden muss. Der Garten dient als Refugium der Entspannung, als sozialer Treffpunkt und Ort für Geselligkeit. Das Pflegen des Gartens nach ästhetischen Ansprüchen ist die relevanteste Gartenpraktik. Gartenarbeit bedeutet das Eingrenzen und Kontrollieren von ungewollten Naturprozessen, insbesondere Unkrautbewuchs und Schädlingsbefall:

„Und das Schlimmste […], wenn man einen besonders regenreichen Frühling, Sommer, Herbst hat, dann ist das wirklich, als ob man hier Dünger ausgebracht hat. Dann sprießt […] natürlich auch das Unkraut. Und dann ist man hier wirklich in einer Tour beschäftigt, um die Beete halbwegs unkrautfrei zu halten.“

Für diesen Typ bedeutet Gärtnern nicht, mit oder für die Natur zu arbeiten, sondern vor allem, die Natur zu bändigen und im Zaum zu halten. Dazu werden auch chemische Dünger und Pflanzenschutzmittel eingesetzt. Auch wenn Schmetterlinge und Libellen als schöne Tiere bezeichnet werden, werden Insekten meist als störende Schädlinge empfunden und als „eklig, gruselig und nicht schön“ beschrieben. Es ist nur wenig Wissen über Insekten und deren Nutzen und Schutz vorhanden. Stattdessen wurde erlernt, was Insekten im Garten „anrichten“ können. Wissen über die Möglichkeiten des Insektenschutzes im eigenen Garten ist bei diesem Typ nicht vorhanden und insektenfreundliches Gärtnern spielt keine explizite Rolle.

Beispielhafter Garten für den Gärtner*innentyp ordnungsliebende Gärtner*innen. Foto: grosche.nrw – stock.adobe.com

Die Gartendesigner*innen sind bürgerlich-privilegiert und haben ein Haus mit großem Grundstück. Der Naturbezug ist vorhanden, aber nicht sonderlich ausgeprägt. Die zentrale Praktik des Gärtnerns ist das ästhetische Gestalten und Designen des Gartens. Der eigene Garten ist ein „erweitertes Wohnzimmer“,das als wichtiger Teil des Hauses ästhetischen Ansprüchen genügen muss. Oft sind die Gärten dieses Typs aufwendig gestaltet und in unterschiedliche Bereiche und Zonen unterteilt, inklusive statusbezogener Elemente, wie zum Beispiel einem großen Teich:

„Der Teich ist halt toll. Hat halt nicht jeder. Haben wir uns halt irgendwann gewünscht und das dann umgesetzt. Aber das geht natürlich auch nicht überall. Und vor allem nicht in der Größe. Ja, das ist schon auch von den Kosten her nicht ganz ohne, bis das fertig war.“

Gärtnern ist für die Gartendesigner*innen kein Hobby, vielmehr muss der Garten gepflegt und gestaltet werden. Gearbeitet wird eher gegen als mit der Natur. Technische Unterstützung durch Mähroboter oder automatische Bewässerungssysteme wird gerne in Anspruch genommen und für größere Arbeiten wird auch mal ein Gärtner engagiert. Neben der repräsentativen Schönheit wird der Garten hauptsächlich zur Erholung und Entspannung genutzt. Gartendesigner*innen sind keine großen Insektenfreund*innen, den Nutzen von Insekten für Mensch und Natur erkennen sie aber an. Gewisse „schöne“ Insekten wie Schmetterlinge oder Hummeln werden positiv wahrgenommen, die meisten Insektenarten lösen jedoch eher negative Assoziationen aus. Insektenschutz im eigenen Garten kann eine Rolle spielen, insbesondere, wenn er ästhetischen Ansprüchen entspricht, etwa durch die Pflanzung einer nektarreichen Blütenpracht mit einheimischen Arten.

Beispielhafter Garten für den Gärtner*innentyp Gartendesigner*innen. Foto: scaliger – stock.adobe.com

Bei den Ertragsgärtner*innen dreht sich das Gärtnern um den Ertrag an Obst und Gemüse. Soziale Kontakte und gegenseitige Hilfe spielen für sie eine wichtige Rolle. Die Ertragsgärtner*innen sind in regem Kontakt zu ihren Gartennachbar*innen und tauschen Wissen oder auch Samen und Stecklinge aus. Ihr Naturbezug ist ausgeprägt. Anknüpfungspunkt ist hier die enge Arbeit mit und in der Natur, die zur Erkenntnis führt, dass Menschen auf die Natur angewiesen sind. Für die Ertragsgärtner*innen sind Anbau und Ernte von Nutzpflanzen die zentralen Praktiken im Garten:

„Also ich bin eher so der Nutz-Gemüse-Macher in unserem Garten.“

Beim Gärtnern wird die Natur „hingebogen“, um möglichst viel Ertrag zu erhalten. Dabei wird oft eine hohe Vielfalt an Obst- und Gemüsesorten angepflanzt. Der eigene Garten bedeutet, einen „wirtschaftlichen Vorteil“ zu haben, da weniger Lebensmittel eingekauft werden müssen. Die Gartenarbeit ist sehr arbeits- und zeitintensiv, wird aber durch die Ernte entschädigt. Zudem macht die Arbeit Spaß und wird bei vielen als Ausgleich zum Arbeitsstress erlebt. Der Garten ist so gestaltet, dass die Beete ordentlich und von Unkraut befreit sind. Andere Bereiche des Gartens dürfen „wilder“ oder ästhetisch anspruchsvoll gestaltet sein. Die „wilden“ Bereiche haben zwei Vorteile: Sie bedeuten wenig Arbeit und leisten gleichzeitig einen Beitrag zum Insektenschutz. Insekten gelten für Ertragsgärtner*innen als „Nützlinge“, die für Bestäubung und Ertrag wichtig sind. Das Wissen über den Nutzen von Insekten ist zwar groß, das konkrete Artenwissen jedoch gering.

Beispielhafter Garten für den Gärtner*innentyp Ertragsgärtner*innen. Foto: zmijak – stock.adobe.com

Die vorgestellten Gärtner*innentypen geben Einblicke in die Diversität der Gartengestaltung. Sie zeigen auch, wie groß oder klein die Lebensräume für Insekten sind und welche Rolle Gärtner*innen beim Insektenschutz einnehmen (können). Insektenfreundliches Gärtnern kann aus unserer Sicht bei allen Gärtner*innentypen gefördert und unterstützt werden.

In der Ansprache zur Sensibilisierung von Gärtner*innen – etwa durch Umweltämter, Kleingartenvereine oder Naturschutzorganisationen – gilt es, die unterschiedlichen Ausgangspositionen zu beachten. Die fünf Gärtner*innentypen können dabei helfen, zielgruppenspezifische Wissensbedarfe und Kommunikationsformate zu identifizieren. Die folgenden Beispiele zeigen, mit welchen Botschaften und in welcher Tonalität die jeweiligen Typen angesprochen werden könnten.

  • Lebensraumschaffer*innen: Du schaffst in Deinem Garten gerne Lebensräume für Insekten? Mach den nächsten Schritt: Erforsche die Insekten in Deinem Garten und teile Deine Beobachtungen über das Meldeportal Insekten-Hessen. So kannst Du helfen, die Verbreitung von Insekten in Hessen besser zu verstehen.
  • Naturverbundene Familiengärtner*innen: Entdecke mit Deiner Familie die Insekten in Eurem Garten. Schafft noch mehr Verstecke und Nahrungsangebote. Totholz, Steinhaufen, sandige Bereiche und wilde Blühflächen locken mehr Insekten zum Untersuchen an.
  • Ordnungsliebende Gärtner*innen: Du bist immer damit beschäftigt, den Garten zu pflegen? Spare Dir das Geld für chemische Pestizide. Diese gefährden auch natürliche Schädlingsbekämpfer wie Marienkäfer. Stattdessen helfen Hausmittel wie ausgestreuter Kaffee, Seifen oder Brennnesseljauche gegen Blattläuse und Co.
  • Gartendesigner*innen: Schmücke Deinen Garten mit Schmetterlingen und Bienen! Staudenbeete sind gerade im Trend und bieten Nahrung und Lebensraum für viele Arten. Auch Teiche, Insektentränken oder sogar Totholz können Deinen Garten abwechslungsreicher machen.
  • Ertragsgärtner*innen: Erweitere Deinen Garten um „Gartenunkräuter“. Petersilie, Borretsch, Löwenzahn oder auch Brennnessel sind essbar. Gleichzeitig sind sie wichtige Nahrungsquellen für Schmetterlinge, Bienen und andere Insekten.

Autor*innen

Lukas Sattlegger

Lukas Sattlegger ist seit 2016 wissenschaftlicher Mitarbeiter des ISOE im Forschungsschwerpunkt Energie und Klimaschutz im Alltag. Er promovierte an der Goethe-Universität Frankfurt als Teil der SÖF-Nachwuchsforschungsgruppe PlastX zum Thema Verpackungen und nachhaltiger Konsum. Davor studierte er Soziologie und Kultur- und Sozialanthropologie an der Universität Wien und Sozial- und Humanökologie am IFF Wien der Alpe Adria Universität Klagenfurt.

Melina Stein

Melina Stein ist wissenschaftliche Mitarbieterin am ISOE im Forschungsschwerpunkt Mobilität und Urbane Räume. Sie studierte Soziologie und Politikwissenschaften an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz mit den Schwerpunkten Methoden der empirischen Sozialforschung und Stadtsoziologie. Ihre Schwerpunkte am ISOE sind nachhaltige Mobilität und qualitative Sozialforschung.

Johanna Freudenberg

Johanna Freudenberg ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Technischen Universität Darmstadt im Fachgebiet Germanistik - Angewandte Linguistik. Im Mittelpunkt ihrer Forschung stehen sprachliche Mensch-Natur-Verhältnisse in Texten, welche sich mit Biodiversität beschäftigen. Ihre Schwerpunkte sind Textlinguistik und Ökolinguistik.

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